Härtefallregelung bei der Hörgeräteversorgung

Seit dem 1. Juli 2011 vergütet die IV alle 6 Jahre einen Pauschalbetrag von Fr. 840.- für eine einseitige und Fr. 1‘650.- für eine zweiseitige Versorgung mit Hörgeräten. Vielen hochgradig Schwerhörigen reicht dieser Pauschalbetrag nicht aus, um die Kosten für die Hörgeräteversorgung zu decken. Es besteht die Möglichkeit bei der IV ein Gesuch um Härtefall einzureichen. Wird das Gesuch gutgeheissen, so übernimmt die IV die Kosten, die über dem Pauschalbetrag liegen.

Es ist besonders für junge Hörbehinderte absolut zentral, dass sie

in den Genuss von geeigneten und leistungsfähigen Hörgeräten kommen. In Kombination mit weiteren Hilfsmitteln (z.B. FM-Anlagen) können sie den Ausbildungs- oder Berufsalltag wesentlich erleichtern. Wie die Erfahrungen zeigen, genügt die Pauschale der IV oft bei Weitem nicht, um die Kosten für die benötigten Geräte zu decken. Häufig belaufen sich die Kosten inklusive Anpassung auf ein Vier- oder Fünffaches der Pauschale.

Die Härtefallprüfung kann nur von erwachsenen Personen beantragt werden, die Anspruch auf eine Hörgeräte-Pauschalvergütung der IV haben, erwerbstätig oder in anderen Arbeitsbereichen tätig sind (z.B. im Haushalt, bei Mitarbeit im Betrieb des Ehegatten / der Ehegattin oder als Studierende). Zudem hat eine HNO-Klinik zu untersuchen, ob die Voraussetzungen für einen Härtefall erfüllt sind. Ein IV-Rundschreiben zum Härtefall nennt als mögliches Kriterium einen beidseitigen Hörverlust von mindestens 75 %. Das IV-Rundschreiben definiert weitere Kriterien, so können auch ein extremer Hochtonsteilabfall oder ein stark schwankendes Gehör als Grund für einen Härtefall gelten.

Wir empfehlen Hörbehinderten, die neue Hörgeräte brauchen, sich unbedingt beim HNO-Arzt zu erkundigen, ob die Voraussetzungen für einen Härtefall erfüllt sind. Danach müssen diverse Unterlagen eingereicht werden: Ein Antrag der versicherten Person und ein Bericht des Hörgeräteanbieters, beides mit ausführlicher Begründung über die bestehenden Probleme bei der Hörgeräteanpassung. In vielen Fällen fordert die IV-Stelle danach die betroffene Person auf, ein Tragejournal auszufüllen. Anschliessend beauftragt die IV-Stelle die HNO-Klinik, eine Hörabklärung durchzuführen. Ist die HNO-Klinik der Ansicht, es liegt ein Härtefall vor, dann wird die IV-Stelle dieser Empfehlung in der Regel folgen und die Mehrkosten der Hörgeräteversorgung übernehmen.

Der Anspruch beschränkt sich auch bei Anwendung der Härtefallregelung auf eine einfache und zweckmässige Versorgung. Was als „einfach und zweckmässig“ gilt, ist gerade bei Hörgeräten schwer zu beantworten – denn technisch hochwertige Hörgeräte sind für viele Hörbehinderte in der Ausbildung oder im Beruf absolut notwendig und stellen keinen Luxus dar. Andererseits gibt es auch Hörgeräteträger, die mit den Basisfunktionen gut zurechtkommen. Es ist ohnehin sinnvoll, Modelle verschiedener Hersteller und Preisklassen auszuprobieren. Im Gesuch an die IV-Stelle ist genau zu begründen, weshalb andere getestete Geräte den persönlichen Anforderungen nicht genügen.

Das Verfahren gestaltet sich leider vielerorts als aufwändig und langwierig. Wichtig ist deshalb, dass der Akustiker oder die Akustikerin Geduld zeigt und zur Zusammenarbeit bereit ist. Unter Umständen kann es das Verfahren vereinfachen, wenn die HNO-Klinik bereits zu Beginn des Verfahrens angefragt wird, eine Höruntersuchung zum Härtefall durchzuführen.

Wenn die IV dem Härtefallgesuch nicht entspricht, soll besonders in Grenzfällen der Weiterzug geprüft werden. Liegt eine Mitteilung der IV vor, so kann innert 30 Tagen bei der IV-Stelle eine beschwerdefähige Verfügung verlangt werden. Nach Erhalt dieser Verfügung steht die Beschwerde beim kantonalen Versicherungsgericht offen.

Betroffene können sich von Fachstellen beraten und unterstützen lassen. In Bern bietet die Fachstelle Information und Beratung für Gehörlose und Hörbehinderte Unterstützung beim Gesuch um Härtefallprüfung an. Die Beratung steht auch in weiteren Fragen in Zusammenhang mit der Hörgerätefinanzierung zur Verfügung, beispielsweise wenn die betroffene Person nicht IV-versichert ist oder ein Gesuch um Härtefall aussichtslos ist. In anderen Kantonen existieren Beratungsstützpunkte von pro audito.

Weitere Informationen:

IV-Rundschreiben Nr. 304 – Härtefallregelung
IV-Rundschreiben Nr. 326 – Update zur Härtefallregelung vom 23.12.2013
Pro Audito Schweiz – Broschüre zur Härtefallregelung
Fachstelle für Gehörlose und Hörbehinderte Bern
Artikel Tagesanzeiger vom 4. August 2014: Die IV hat kein Gehör für Härtefälle

Von Manuel Rohrbach IV Politik 0 Kommentare

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